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Die Sehnsucht als Antrieb

Gedanken zum Sonntag, 6. November

von Vikarin Theresa Fischer

Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Leute zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen – sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.
“Die Sehnsucht ist ein mächtiges Werkzeug. Wenn wir uns nach etwas sehnen, weckt das tiefe Gefühle und Wünsche in uns. Der Gegenstand der Sehnsucht vernebelt unseren Verstand, manchmal können wir an nichts anderes denken. Sehnsucht ist ein tiefes, inniges, manchmal sogar schmerzliches Verlangen nach etwas.Sehnsucht treibt uns an, sodass wir uns aus unserer Komfortzone bewegen, um etwas zu erreichen. Die Pharisäer in der Bibel haben Sehnsucht nach dem Reich Gottes, sie fragen Jesus danach: „Wann kommt denn das Reich Gottes?“(Lk17,20-24) Jetzt steht die berechtigte Frage im Raum: Was bitte hat das denn mit der Sehnsucht nach weitem, endlosem Meer zu tun? Das Reich Gottes ist ein Ort, an dem wirkliche Gerechtigkeit herrscht, jeder das bekommt, was Leben möglich macht. Ein Ort, an dem es kein Leid und keinen Schmerz gibt. Ein Ort, an dem niemand einen anderen verletzt. Ein Ort, an dem wir einander wieder begegnen, weil bei Gott kein Leben verloren geht. Ein Ort, an dem wir Gott selbst begegnen werden. – Eine schöne Vorstellung, ein solcher Ort. Das Reich Gottes ist ein ähnlicher Sehnsuchtsort, wie das weite, endlose Meer. Haben Menschen diesen Sehnsuchtsort vor Augen, fällt es leichter die Kraft für den Bau eines Schiffes aufzubringen. 
Die Antwort, die Jesus auf die Frage gibt ist, alles andere als einfach oder selbsterklärend: "Das Reich Gottes ist schon da – mitten unter euch!“ Paradox und unverständlich: auf der Welt herrscht kein Frieden und es geht auch nicht allen Menschen gleich gut. Menschen verletzen einander und es herrscht keine Gerechtigkeit. Wo also ist das Reich Gottes? – Mitten unter uns. 
Im Text sehnen sich die Pharisäer nach dem Reich Gottes. Mit seiner Antwort spricht Jesus uns in dieser Sehnsucht an. In unserer Sehnsucht ist das Reich Gottes schon mitten unter uns. In unserer persönlichen Sehnsucht haben wir eine konkrete Vision und Vorstellung davon, wie genau das Reich Gottes sein kann. Kann es diese Sehnsucht nicht möglich machen, dass manchmal das Reich Gottes im Alltag schon aufblitzt? Kann diese Sehnsucht uns dazu antreiben für Dinge einzutreten, die uns wichtig sind, wie zum Beispiel Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Nächstenliebe.
 Natürlich dürfen wir nicht den Anspruch haben, dass wir diesen Zustand auf der ganzen Welt herstellen können, aber in jedem von uns kann die geweckte Sehnsucht uns zu einem kleinen aufblitzenden Teil des Gottes Reiches beflügeln und antreiben. Diese Sehnsucht nach dem Reich Gottes – einem Ort, an dem es allen gut geht, schafft es Licht ins Dunkel zu bringen und die menschliche Not zu überstrahlen. 
Halten wir also fest: das Reich Gottes lebt von einem Spannungsverhältnis. Einerseits dürfen wir das Reich Gottes als weltumspannenden Ort erwarten und darauf hoffen, dass es allen Menschen gut geht und sie in Frieden miteinander leben. Andererseits gibt es ein aktives Moment: unsere eigene Sehnsucht nach diesem Ort, die uns beflügelt… die uns antreibt…die uns dazu bringt unsere Komfortzone zu verlassen, sodass wir selbst etwas dazu beitragen können, dass das Reich Gottes unter uns Gestalt gewinnt. Gehen Sie auf die Suche nach Ihrem persönlichen „weiten, endlosen Meer“ und lassen Sie sich von Ihrer Sehnsucht antreiben und beflügeln…